Agnieszka Grzybek: Warum haben sich Feministinnen dem Thema „Mutterschaft“ angenommen, das in Polen oft als Domäne des rechten Flügels gilt?
Für die Gründer der Stiftung MaMa war das Thema Mutterschaft seit jeher sehr wichtig, auch wenn es sich anfangs nicht auf unsere eigenen Erfahrungen bezog. Zunächst stand die reine Neugier im Vordergrund, weil dieser Aspekt noch bis vor ein paar Jahren beim polnischen Feminismus gänzlich fehlte. Auf mich hat das Handbuch von amerikanischen Feministinnen zu Kindern und Feminismus, Children and Feminism, einen maßgeblichen Einfluss in dieser Angelegenheit ausgeübt. Es bot praktische Tipps, wie Kinder in politische Aktivitäten mit einbezogen werden können, indem man sie zum Beispiel, die Banner für die Demonstrationen malen ließ. Als ich mit 23 ein Kind bekam, erlebte ich die Folgen des Mutterseins an mir selbst: bauliche Hindernisse, Probleme auf dem Arbeitsmarkt, unerträgliche Stereotypen, die polnische Frauen an den Rand der Gesellschaft drängen. Irgendwann fiel mir der alte feministische Slogan ein: „das Private ist politisch“, der nach wie vor sehr aktuell ist. Ich erkannte, dass ich entweder die Abende frustriert mit meinen Freundinnen, die alle in einer ähnlichen Situation waren, zu Hause verbringen konnte, oder aber ich konnte diese persönliche Erfahrung in politischen Aktivismus ummünzen. Und so wurde die MaMa-Stiftung geboren.
In Polen spricht man von Mutterschaft in Extremen: wir haben es entweder mit dem Diskurs zu tun, der Frauen auf Küche und Herd verweist und zur Kinderbetreuung verbannt oder mit dieser Liberalen-Geschichte, die das Ideal der „Superwoman“ fördert, die tapfer die Kombination aus Berufstätigkeit und gleichzeitiger Kinderbetreuung meistert, die Frau, die 24 Stunden am Tag im Dienst ist. Wo sehen Sie sich innerhalb dieser Landschaft? Was ist Ihre Philosophie des Handelns hinter den Aktionen?
Auch für uns ist es schwer. Die Leute denken immer, nur weil der Name der Stiftung etwas mit Mutter zu tun hat, wir auf die Förderung bestimmter Gruppen von Müttern konzentriert sind, etwa nur auf Mütter von behinderten Kindern, alleinerziehende Mütter oder Mütter mit Behinderung. Oder dass wir Lösungen gleich welcher Art unterstützen, um die Mütter zu schonen, beispielsweise die Einführung des drei-jährigen Kündigungsschutzes beim Wiedereinstieg nach der Geburt, innerhalb dessen sie nicht entlassen werden können. Viele Leute denken auch, wir würden uns für sämtliche Belange von Frauen engagieren, etwa im Fall einer vorgetäuschten Risikoschwangerschaft dafür sorgen, dass sie vorzeitig Urlaub nehmen können. Manchmal sind wir auch komischen Situationen ausgesetzt, wenn etwa ultra-konservative Organisationen uns um Mithilfe bitten, weil "MaMa", der Name unserer Stiftung, so selbstverständlich traditionalistisch besetzt ist. Unser Verband will sich ganzheitlich mit Fragen rund um die Mutterschaft beschäftigen, Mütter als spezifische soziale Gruppe behandeln. Wir unterstützen ihr Recht, selbst über ihre Mutterschaft zu entscheiden, und wir versuchen, aktiv auf die systemischen Veränderungen ihrer Situation einzuwirken.
Hat sich in den letzten 20 Jahren in Polen an der Kommunikation über die Situation der Mütter etwas geändert?
Auf jeden Fall. Dank neuer Medien, Internet und einiger der veröffentlichten Zeitschriften und Handbücher haben Frauen deutlich verbesserten Zugang zu Informationen. Mütter tauschen sich in Internetforen und Chatrooms über ihre Probleme aus und unterstützen sich gegenseitig. Auf der anderen Seite kann diese Informationsflut auch ein Chaos verursachen, denn die Frauen sind oft von den widersprüchlichen Ratschlägen desorientiert und überfordert. Häufig wissen sie nicht, was sie auswählen sollen und tappen im Dunkeln. Doch wir sollten anerkennen, dass Frauen aus ihren Heimen „befreit“ wurden: Einrichtungen für Eltern mit kleinen Kindern schießen wie die Pilze aus dem Boden, zumeist in den großen Städten. Was auch sehr interessant ist, ist das popkulturelle Phänomen, das gerade sehr angesagt ist: Öko-Eltern, die häufig mit modernen Lebensstil gleichgesetzt werden. In ihrem Buch, das im vergangenen Jahr erschienen ist, argumentiert die französische Feministin Elizabeth Badinter, dass diese moderne Entwicklung der Öko-Erziehung Frauen wieder ins Haus bringt, ähnlich wie zu den Zeiten, die Betty Friedan in ihrem Buch beschreibt. In The Feminine Mystique, argumentiert Friedan, dass das soziale System die Frauen zu Hause bindet, während Badinter behauptet, dass Frauen von sich aus in die Heimchen-am-Herd-Falle geraten. Kochen nach den fünf Transformationsgesetzen, und Wickeln ohne Einwegwindeln ist sehr arbeitsintensiv und aufwändig, und für etwas anderes bleibt dann keine Zeit mehr.
Was ist mit der Sprache der Politiker?
Sie hat sich bis zu einem gewissen Grad gewandelt, auch wenn die Wahrnehmung von Mutterschaft die gleiche geblieben ist. Der konservative Diskurs der Rechten ist nach wie vor tonangebend, und geht meist mit den traditionellen Vorstellungen der gesellschaftlichen Rollenverteilung einher. Die Studienumfragen zur Aufteilung der Hausarbeit bestätigen, dass Frauen immer noch die Hauptlast dieser unbezahlten Arbeit tragen. Anlässlich der Debatte im Parlament über die Tagespflegeeinrichtungen zeigten sie Verständnis für die Tatsache, dass sie den Frauen nicht verordnen können zu Hause zu bleiben, weil die Familien mit einem Gehalt nicht auskommen. Aber auf der anderen Seite beklagten sie, dass Frauen durch den "verdammten" Kapitalismus gezwungen sind arbeiten zu gehen, weil ihre Familien nicht mit einem Gehalt auskommen. Häufig wird in dieser Debatte über die Bestimmungen zur Unterstützung von Frauen, um Berufstätigkeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, die berufliche Karriere als negativ und problematisch dargestellt, und die Tatsache, dass Frauen einfach die Möglichkeit haben sollten, wieder arbeiten zu gehen, wird nicht berücksichtigt. Diese Art zu denken unterstellt den Frauen oftmals, dass ihnen Karriere wichtiger ist als ihr Kind, und dass Frauen, die zurück auf den Arbeitsmarkt wollen, egoistisch sind, weil sie ihr Kind vernachlässigen, indem sie es in der Kindertagesstätte abgeben.
Was bedeutet es also, in Polen Mutter zu sein?
Es hängt natürlich davon ab, wer darüber spricht: Frauen auf dem Land, Mütter von behinderten Kindern, alleinerziehende Mütter, Mütter adoptierter Kinder ... Ich könnte noch weitere 100 Beispiele von Müttergruppen aufzählen, die in unserem Buch mit dem gleichnamigen Titel die Heldinnen sind. Mutter in Polen sein heißt zwischen zwei Extremen funktionieren: Einerseits soll sie "Superfrau" sein, auf der anderen ein Muttertier, ständig erschöpft, sich ganz und gar für die Kinder aufopfernd. Als Mutter ist man in Polen permanent frustriert, denn es bedeutet, dass Frauen, die hohen Erwartungshaltungen, mit denen sie konfrontiert werden, zu erfüllen haben. Zum einen ist da das Risiko die Arbeit zu verlieren, zum anderen das Risiko bei der Arbeit diskriminiert zu werden. Wir treffen immer wieder auf das Klischee, dass schwangere Frauen oder die Mutter eines kleinen Kindes weniger leistungsstarke Mitarbeiterinnen sind, auf die man sich nicht verlassen kann, da sie bei der Arbeit ständig an ihr Kind denken. Aus diesem Grund müssen sie auf Motivationsboni und Gehaltserhöhungen verzichten und dürfen auch nicht an beruflichen Weiterbildungen teilnehmen. Warum sollte man Frauen fördern, wenn es einem keinen Nutzen bringt. Obwohl wir ein starkes Arbeitsrecht haben, das dazu gedacht ist, Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu schützen, werden die Rechte der Arbeitnehmerinnen dennoch häufig verletzt, "mit weißen Handschuhen". Eine dieser Gepflogenheiten ist das klassische Beispiel, die Arbeitsplätze für Frauen, die aus dem Schwangerschaftsurlaub oder der Elternzeit zurückkehren, zu streichen.
Welche Lösungen schlägt Ihre Stiftung vor, um die Situation der Mütter zu verbessern?
Zunächst versuchen wir, die Fragen im Zusammenhang mit den Rechtsverletzungen an den Müttern publik zu machen, und wir unterstützen Mütter darin, für ihre Rechte einzutreten. Wir bieten kostenlose Beratung an und empfehlen den Frauen, ihr Recht vor Gericht einzuklagen, wenn sie bei der Arbeit diskriminiert worden sind. Ihr Sieg vor Gericht kann zur Verbesserung der Situation anderer Frauen beitragen. Wir versuchen Politiker für uns zu gewinnen, wir treten mit unseren Forderungen an die Medien heran, wir arbeiten mit den örtlichen Behörden zusammen. Wir haben zum Beispiel eine Kampagne gestartet, die zum einen Väter, die keine Unterhaltzahlungen leisten und zum anderen die gesellschaftliche Zustimmung gegenüber der „Vermeidung der Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber den Kindern“ aufdeckt und stigmatisiert. In zwei Bezirken von Warschau führten wir eine Überprüfung der Straßenverhältnisse durch, die die Stellen untersucht, wo mit dem Kinderwagen Probleme auftauchen. Wir fotografierten und beschrieben jedes Loch in der Straße, jede Unebenheit im Pflaster und das Fehlen von Aufzügen. Wir übergaben der Stadtverwaltung einen 500-seitigen Bericht zur besseren Gestaltung der Renovierungen. Wir haben uns mit Rollstuhlfahrern und älteren Menschen zusammengetan, um gemeinsam die Verkehrshindernisse zu beseitigen und die Mobilität Benachteiligter in der Stadt zu erleichtern. Wir organisieren Aktivitäten für Kinder in Kinos und Museen, bei denen Eltern einen Film oder eine Ausstellung ansehen können. Wir starten gerade ein Projekt für Mütter, die in gewalttätigen Beziehungen leben und Mütter, die an postnatalen Depressionen leiden, und deshalb Schwierigkeiten haben, wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Wir schaffen Kooperativen für Mütter.
Seit einiger Zeit werden in Polen flexible Arbeitszeiten und -gestaltung propagiert, die es Frauen ermöglichen sollen, Berufs-und Familienleben zu vereinbaren. Angeblich sind sie die ideale Lösung, insbesondere für Mütter mit kleinen Kindern. Sie haben jedoch etwas dagegen einzuwenden. Warum?
Wir sind nicht wirklich begeistert von der Art und Weise, wie flexible Maßnahmen zur Beschäftigung als einzige Lösung für Frauen angepriesen werden. Zunächst einmal ist es äußerst schwierig von einer Teilzeitbeschäftigung wieder auf eine Vollzeitstelle zu wechseln. Außerdem bekommen die Frauen dann oftmals „Schrott“-Arbeitsverträge angeboten, die keine soziale Absicherung oder Altersvorsorge vorsehen. Eine weitere Falle, die wir entlarven wollen, ist die selbständige Tätigkeit, die als ideal für junge Mütter angepriesen wird. Solche Unternehmen werden oft, v. a. anfangs, von zu Hause aus geführt. Aber es ist sehr hart, Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, und nicht jede Frau hat die Fähigkeit zum Multitasking, d.h. kann sich auf die Arbeit konzentrieren, ohne unter Stress zu geraten, indem sie sich gleichzeitig auf die Arbeit und das Kind konzentriert. Wir denken, dass flexible Beschäftigungsformen nur eine vorübergehende Lösung in der Laufbahn von Frauen sein können. Oberflächlich betrachtet, scheinen sie zu helfen, aber wir sehen ja die Defizite, die Tatsache, dass Frauen einer Doppelbelastung ausgesetzt sind: Sie sind Arbeitnehmerinnen und Hausfrauen in einem.
Heimarbeit von Frauen wird nicht anerkannt und nicht ausreichend gewürdigt, aber wenigstens wird seit einiger Zeit darüber gesprochen. Was würden Sie vorschlagen, wie man sie angemessener bewerten könnte?
Im Jahr 2010 übergaben wir dem Parlament unsere Empfehlung zum Umgang mit unbezahlter Arbeit von Frauen. Wir brachten darin vor, dass Erziehung und Betreuung von Kindern und älteren Menschen, Arbeit ist, die dem Haushalt und der Familie zugutekommt. Forschungsergebnisse, die von unserer Stiftung und anderen Organisationen zusammengetragen wurden, zeigen, dass Frauen, die sich um Haushalt und Kinder kümmern, oft von der Gesellschaft und ihrer näheren Umgebung nicht wirklich anerkannt wurden. Wir teilten unsere Empfehlungen an das Parlament in drei Bereiche: soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft und Gleichheit. Wir forderten unter anderem die allgemeine Zugänglichkeit von Betreuungsangeboten im Kindergarten und hochwertigen Workshops, sowie die Anpassung der Kindergartenöffnungszeiten an die Bedürfnisse der Eltern und Einrichtungen. Wir wiesen auch auf die Notwendigkeit zur Entwicklung alternativer Formen in der Altenfürsorge hin, zum Beispiel die Erhöhung der Altersvorsorgezahlungen für Eltern im Erziehungsurlaub. Wir stellten die Dringlichkeit fest, Rechte von selbstständigen Frauen anzupassen, die für den Zeitraum der Kinderbetreuung keinen Rentenanspruch erwerben, obwohl sie gezwungen sind, ihre berufliche Tätigkeit während dieser Zeit auszusetzen. Eltern von behinderten Kindern sind davon am schlimmsten betroffen und darunter v.a. Frauen, die besonders häufig ihren Arbeitsplatz aufgeben, um sich ganz um ihr Kind kümmern zu können. Wir fordern für sie das niedrigste Gehalt, das dem einer Krankenschwester entspricht, ein, und dass die Jahre, die sie der Rehabilitation widmen, für den Ruhestand angerechnet werden. Es ist uns bewusst, dass auch Veränderungen in der Erziehung notwendig sind, um eine andere Einstellung gegenüber der Heimarbeit hervorzurufen. Daher denken wir, dass Gleichstellungsprogramme bereits in Kindergärten und Schulen eingeführt sollten, um Kindern beizubringen, die Hausarbeit aufzuteilen. Wir sehen, dass Frauen auf der einen Seite verkünden, sie würden in einer partnerschaftlichen Beziehung leben, und auf der anderen Seite die wirkliche Gleichstellung zu Hause damit endet, dass der Mann die Wohnung saugt oder den Müll rausbringt, wenn man ihn ihm unter die Nase hält. Bei den Workshops, die wir in der Stiftung durchführen, lehren wir, wie man die Hausarbeit gerecht aufteilt. Die Veränderung im Bewusstsein des Einzelnen ist oft schwieriger zu erreichen, als es ist, die Mitglieder des Europäischen Parlaments davon zu überzeugen, für irgendein Gesetz zu stimmen.
Übersetzt von Magdalena Grabowska
Übertragen aus dem Englischen von Mo Zuber
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